radikal Kanakisch
prolog:
wer bist du? was bewegt dich? wer liest das gerade? bist du freund oder feind?
dieser text wurden in einem gefühl des verantwortungsbewusstseins geschaffen. dies ist kein text über plattenbauten oder armut, dies ist keine sightseeing-tour durch migrantischen schmerz.
„woher kommst du?“
ich bin nicht deutsch, ich bin kurde und kanak.
eine ansage.
träumen
〰️
träumen 〰️
18.09.2017 – erbil
eine nargile gurgelt in einem raum voll leerer blicke. qseng bläst dichten rauch zwischen uns.
schon wieder eine geschichte über staubige autofahrten. ein langer sommer summt in den wind. wenn ich zurückkomme, bin ich fast angekommen. das bühnenbild vergilbt. plastiktüten fliegen durch die späten stunden des tages. die zähen tage liegen in der lethargie der jahre. wir sind fast alt. für einige tage spielt die jugend noch am horizont. sie klopft vielleicht noch ein paar male an die tür. ich trinke heute einen cay mit ihr. der hintergrund zeichnet die identität auf knurrende mägen. die geschichte wirft einen langen schatten. müde herzen hängen an traurigen augen. sehnsucht. wir imitieren freiheit, denn es herrscht immer noch krieg. vielleicht werden wir noch glücklich. menschen sterben dort, wo träume schlafen. schwere herzen versinken in weißen plastikstühlen. die welt dreht sich und wir drehen uns heute noch mit. wir erhalten straßen und häuser, gräber und traditionen. die vergangenheit liegt in vitrinen oder in asche. wir fliehen. es gibt keinen richtigen ort und keinen richtigen zeitpunkt. es existiert kein nullpunkt. wir werden in diese welt geboren und wir werden sie verlassen, ob im guten oder im schlechten. reise nach jerusalem – manche haben in dieser welt keinen platz. wir schwenken flaggen, drucken pässe, ziehen grenzen. wir benennen städte und heimaten. wie glaubst du sieht ein rastloses herz aus? sind die augenringe tiefschwarz? sicherheit ist gestohlene freiheit. fühlst du dich sicher? bist du ein dieb? bist du frei? ich bin freier als mein qseng. eine familie, zwei pässe. zwei junge menschen, eine welt, dieselben träume.
wir lachten noch ein wenig. durften für einen moment noch kind sein, der schönste luxus der welt.
19.02.2020 hanau – gedächtnisprotokoll der ohnmacht
füll die löcher im bauch mit wut. tinnitus des todes. kopf rauschen, gedanken brechen an der klippe eines kalten herzens. erdolche meinen schatten. coach carter im freetv, niemand schaut nach uns. was für training day – was für integration?
blutunterlaufene augen ist selfcare in der diaspora. löffele die wut aus der geschichte. ich bin überfordert euch zu lieben.
lass elendstouristen hängen wie trockenfleisch. wenn wir lächeln, schmilzt der schnee. was fühlst du bei weißen augen auf brauner haut. redundanter wahnsinn. meine lippen sind trocken und rissig.
ich sitze am schreibtisch. mein herz liegt in scherben vor mir und ich würge sie stück für stück runter, bis meine kehle zerreißt und der damm, den meine augenlider bilden bricht. ich weine, fühle mich wie ein verräter. die willkür macht mich wahnsinnig. wer will was? ich spüre in meiner brust einen schweren glühenden krampf. irgendwie taub und schmerzerfüllt.
wer will was?
wer?
wenn sie wollen – dann kriegen sie es auch!
wenn sie wollen – dann kriegen sie es auch!
ja, wenn wir wollen…
das übliche spiel: ich leide bis die wut meinen verstand wieder zusammen frankensteind.
10.06.2022 – neuer prototyp
es gibt keinen verhandlungsspielraum mehr. wir machen halay auf den gräbern ihrer nazi eltern und übernehmen den scheißladen. – wer will was?!
im weißen auge funkelt ekel.
seehofer freut sich über 69 – nice – abgeschobene afghan:innen an seinem 69. – leider – geburtstag. wenn faschos in dresden auf die straße gehen, holt seehofer die kneepads aus dem nachttisch.
im weißen auge funkelt gier.
die brd lieferte giftgas für den genozid – 16. märz 1988, halabdscha. die brd liefert waffen für den vernichtungskrieg erdogans in südkurdistan. wir zahlen den blutzoll für europäische „werte“.
familien fliehen in der hoffnung auf ein besseres leben. nein deutschland rettet uns nicht, deutschland drängt schlauchboote ins offene meer. die grenzen sind zu wie der notausgang in der arena bar. die grenzen sind zu, wie nsu-akten. die grenzen sind zu wie oury jallohs zelle. sie füttern unsere mörder mit bomben und munition. sie wollen verharmlosen, wir wollen deutsche straße brennen sehen und bevor ich heute nacht das haus verlasse, wiege ich den rest hoffnung in den schlaf wie ein kind.
kanax sterben jung. kanax run this town tonight. keine erklärung mehr für die hunde. hak ist hak. kanax-invasion, bis unsere kinder die sorgen nicht mehr sehen. wenn wir lächeln, flechten wir die zähne. asphalt klebt im rachen wie karamell. für jeden angriff auf unsere unschuld sollen sie zahlen. wir können uns nur selbst helfen. ob kika kanax oder azzlacks, wir sind durch diese erfahrungen für immer vereint.
haltet den kopf hoch. seid stolz.