Bruchstücke
süßigkeiten und bomben.
in einem moment erinnere ich mich an datteln, die meine freunde und ich essen, dattelkerne, mit denen wir spielen. es gab sehr viele spiele, schach mit baba, schaukeln bei opa, poker bei oma, viele besuche bei oma. bomben, waffen, soldaten, in deren schatten wir spielen und tanzen.
ich würde es beschreiben, wenn ich könnte, doch die vergangenheit ist ein trübes glas, aus dem ich trinke und so manche erinnerung ist tief in mir versunken.
“ich kann sterben, jederzeit.“, wird mir bewusst, als das fenster im wohnzimmer tausende stückchen zersplittert. ich kann sterben, jederzeit. und doch war es mir gleich, ob todesangst oder taubheit? ich nehme den kleinen spielzeugsoldaten in die hand und setze ihn auf den spielzeugpanzer, meine freunde lachen, jetzt ist der spielzeugsoldat kaputt. der echte, lebendige soldat hat ihn kaputt gemacht. die echten waffen zerstörten die kleinen plastikwaffen und plötzlich sehe ich meine kindheit auf dem boden in form von zertrampelten figuren. nun war da kein schatten mehr, in dem wir unser lachen versteckten. ich glaube, ich muss mich damit abfinden.
minderheit - verfolgte generationen.
wir fliehen nach syrien. ich bin groß, ich bin die größte, dachte ich. zerstörung, schon wieder. wer bin ich ohne trümmer? selbst bei den grünen bäumen in deutschland, bei dem schönen essen und dem sprudelwasser, spürte ich nichts als leere. kein schatten, in dem ich mein lachen versteckte, denn es war keins mehr da. wer bin ich ohne die zerstörung? ich denke an die geschenke meiner freunde, wo ist zuhause? es wurde entrissen, aber wo war denn zuhause? ich schaue abends im fenster, wo licht brennt. zuhause. irgendwann konnte ich auch die deutsche aufschrift auf dem teller lesen, den eine frau mal meinem vater im irak geschenkt hat. konnte die nachrichten lesen, las von 9 toten. heute schreibe ich: ich rieche deutschland nicht. ich rieche den souk, gewürze, abgase. ich rieche unsicherheit, rieche angst vor menschenmengen, rieche verlustängste. ich rieche mein zuhause, wohin ich nicht mehr zurück kann. ich kann sterben, jederzeit. keine klirrende fensterscheibe, ein schatten, der mit uns spielt. nur süßigkeiten, keine bomben.
die jahre vergehen und ich suche immer noch
suche heimat in musik in essen in filmen in menschen suche heimat in bruchstücken aus der kindheit suche frieden in gebrochenen erinnerungen suche wärme in verschwommenen träumen suche zugehörigkeit suche heimat.
- Das Begleitgedicht ist eine kollaborative Arbeit zwischen Noor Tahseen und Elina Hanouneh